… so lautet der Titel der letzten Diogenes Veranstaltung. Die Idee dahinter war, dass wir bei weniger Konsum und weniger Besitz in Form von Gegenständen mehr Zeit zur Verfügung haben. Natürlich nur, wenn wir den Medienkonsum mit einschließen. Mehr Zeit haben wir dadurch, dass wir weniger Haushalt zu bestellen haben und weniger Dinge unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und benutzt werden wollen. Darüber hinaus könnten manche Menschen, die aufgrund geringeren Konsums weniger Geld brauchen, auch weniger arbeiten. Zum einen gäbe es dann wieder Arbeit zu verteilen, zum anderen wird für diese Menschen noch mehr Zeit frei.
Bleibt die Frage: Was fangen wir mit dieser Zeit an. Es ergibt sich dadurch zum Beispiel die Notwendigkeit sich selber mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das hat seine Vor- und Nachteile. Darauf komme ich noch zurück.
Und es ergibt sich die Chance, dass wir uns mehr mit unseren Mitmenschen beschäftigen. Eine Möglichkeit sind die vermeintlich belanglosen Gespräche im ‚small-talk’. Dabei geht es darum sich durch Gespräche zu unterhalten. Natürlich sind dabei viele Themen ungeeignet. Politik und Glaube zum Beispiel. Da das Ziel aber ist, sich gegenseitig im Gespräch freundlich einer Grundsolidarität zu versichern, kann ich diese Kulturtechnik nicht für belanglos halten. Man muss lediglich mit den richtigen Erwartungen in solche Gespräche gehen, dann können sie sehr bereichernd sein. Allerdings bedarf es dazu einer gewissen ‚Kunst des kleinen Gesprächs’, mit der ich mich an diesem Abend befassen wollte. Es kam aber etwas anders. An diesem Montag kamen Gäste sogar aus Gütersloh, was immerhin gut 40 km entfernt ist. Das Gespräch drehte sich aber eben nicht um das belanglose Thema der „Lieblingsweine“, sonder ganz schnell um die Kernfrage, um Bedürfnisse. Ich erläuterte den Unterschied, den ich schon in ‚Hintergründe’ beschrieben habe, zwischen ‚Bedürfnissen’ und ‚Wünschen’. Ich vertrete die Ansicht, dass Bedürfnisse universell sind und sich aus ihnen im kulturellen Kontext die jeweils konkreten Wünsche ergeben. Das kann aber auch bedeuten, dass sich unsere Wünsche so weit von unseren universellen Bedürfnissen entfernen, dass sie geradezu kontraproduktiv sind, wenn man Zufriedenheit erreichen will.
Um diese Unterscheidung zwischen Wünschen und Bedürfnissen kreiste einige Zeit das Gespräch und es wurden zwei große Probleme deutlich. Zum einen ist es ganz offenbar eine Bildungsfrage, ob einem der Gedanke der Genügsamkeit plausibel erscheint. Und zwar keine Frage nach „Höhe“ von Bildung sondern eine Frage konkreter Inhalte. Zum anderen muss sich jeder individuell mit seinen Wünschen auseinandersetzen. Von außen kann niemand sagen, was zur Zufriedenheit eines Einzelnen führen könnte. Das heißt, es können keine allgemeingültigen Empfehlungen oder gar Rezepte formuliert werden. Problematisch daran ist, dass wir in unserer Gesellschaft ein schlecht ausgeprägtes Selbstgefühl haben. Das bedeutet, dass wir häufig gar nicht wahrnehmen oder empfinden, wie es uns geht und was uns gut tut. Das geht hinunter bis in die physiologische Ebene und soweit, dass viele kaum Durst von Hunger unterscheiden können. Es ist leicht vorstellbar, dass die werbeinduzierten Wünsche leicht mit den eigenen Verwechselt werden, wie auch „brennende“ Wünsche leicht für echte Bedürfnisse gehalten werden können. Dieses Problem ist schwerwiegend.
Es stellt sich die Frage, wie können Ideen der Genügsamkeit vermittelt und wie kann ein funktionierendes Selbstgefühl verbreitet werden?
Wenn sich aus einem Freiwerden von Zeit die Notwendigkeit ergibt, sich mit sich selbst zu beschäftigen … wenn man den Gang zum Fernseher oder Kühlschrank, der so häufig der Ablenkung dient, vermeidet, dann wird automatisch die Selbstwahrnehmung gestärkt. Das ist in der Regel nicht ganz angenehm, denn es gibt ja Gründe für unsere kleinen Fluchten und Ablenkungen. Wie es eben auch einen Grund für unser oft sinnloses Konsumverhalten gibt
4 Antworten zu “Die Kunst des kleinen Gespräches …”